Isländer, Stute, Rappe, geb.6.6.1995
Sabine Pirker berichtet:
Wenn ich von Fenja erzähle, muss ich in meine Kindheit zurückgehen und von Manni erzählen. Manni war contergan-geschädigt und Sigrid und ich waren mit ihm im Reitverein. Manni hatte verkürzte Arme. Unsere Reitlehrerin stellte ihn oft als Vorbild hin. Er musste gezielt mit Gewicht und Schenkeln reiten und konnte nicht am Zügel ziehen – so wie es ja eigentlich auch sein sollte. Dadurch liefen die Pferde, die er ritt, immer besonders schön.
Weil Manni so gut reiten konnte, bekam er oft Privatpferde zugeteilt. Diese Pferde waren rittiger und feiner als die Schulpferde – aber eben auch wacher und lauffreudiger.
Nachdem ihm diese Pferde einige Male aus der Kontrolle geraten waren, bekam Manni Angst. Er hörte auf zu reiten. Die Pferde ließen ihn aber nie ganz los. Er fand andere Aufgaben im Verein.
Irgendwann zog ich fort, und wir verloren uns aus den Augen. Zehn Jahre später machten Sigrid, Franz und ich mit unseren Isländern Nökkvi, Baldur und Fákur Urlaub in dem Reitverein, in dem wir unsere Kindheit und Jugend verbracht hatten. Dort trafen wir Manni wieder.
Als er unsere kleinen flotten Pferde sah, staunte er. Isländer waren damals noch echte Exoten. Manni wich uns nicht mehr von den Fersen, und schon nach wenigen Tagen saß er auf Nökkvis Rücken und ab ging es in den Wald. Anfangs war ihm etwas mulmig zumute. Aber dann bekam er Spaß! Nökkvi war fleißig aber ganz leicht zu händeln.
Es vergingen wieder 10 Jahre. Da klingelte das Telefon. „Hallo Sabine, hier ist Manni. – Mir ist in all den Jahren unser Ausritt nicht aus dem Kopf gegangen. Ich habe mir gestern ein Islandpferd gekauft. Kannst du es für mich einreiten?“
Ich war sprachlos, aber auch besorgt. Isländer ist nicht gleich Isländer. Da liegen Welten zwischen unserem routinierten gut ausgebildeten Nökkvi und einem rohen Jungpferd. Manni war etwas enttäuscht über meine Zurückhaltung. Aber ich fuhr zu ihm und schaute mir das Pferd an.
Die Stute namens Fenja stand auf einer feuchten Moorwiese und wurde von Insekten fast gefressen. Es hatte ganz offensichtlich Sommerekzem und hatte sich an vielen Stellen schon wund gescheuert. Ich sagte Manni, dass er Fenja am besten sofort zu mir bringen solle, ich hätte die Möglichkeit, einen Ekzeme angemessen zu halten. Mit dem Beritt könne ich allerdings erst beginnen wenn die Wunden verheilt sind.
Für Manni muss in dem Moment eine Welt zusammengebrochen sein. Er hatte gesehen, wie wir unsere Pferde draußen halten und im Gelände reiten … alles schien so unkompliziert. Er sagte, er würde es sich überlegen.
Leider überlegte er sich, dass er Fenja – wenn sich das mit dem Reiten doch als komplizierter als gedacht darstellte – vom Hengst decken lassen wollte. Da das bei Isländern in der Regel im Freien Sprung stattfindet, hieß das: nochmal 8 Wochen Weide in einer Stutenherde. Und das mit einer Ekzemstute! Ich konnte es nicht fassen! Nach 8 Wochen kam erneut ein Anruf von Manni: „Fenja geht es schlecht. Ich schenke sie dir. Ich hoffe, du kriegst sie wieder hin.“
Als wir Fenja abholten, war ich geschockt. Ich hatte noch nie ein Pferd ohne Fell gesehen. Die Haut an Fenjas Körper sah aus wie die eines Elefanten: grau, rau, faltig, spröde und verteilt einzelne Haare. Mähne und Schweif waren total abgescheuert. Fenjas erste Zeit bei uns war schwer. Jeden Tag ölten wir sie zwei Mal mit vier Leuten ein. Alleine war das nicht zu schaffen, weil es wichtig war, das Öl in alle kleinen Hautfältchen zu massieren. Das war körperlich richtig anstrengend. Anschließend war das ganze Pferd feucht. Damit sie nicht fror, bekam sie eine Decke. Diese Decke war immer ölig und ekelig.
Fenja roch nach einer Mischung aus Öl, Krankheit und Pferd. Die anderen Pferde mochten sie nicht, mieden sie oder schickten sie weg. Aber schon nach einigen Tagen wuchsen ganz zarte kleine Härchen, und nach und nach bekam sie wieder ein Fell. Fenjas Hautstruktur war so geschädigt, dass ihr erstes Winterfell aussah wie das eines Rosettenmeerschweinchens. Aber mit jedem Fellwechsel wurde es schöner.
Heute sieht Fenja völlig normal aus und sie hat in Askja und Esja zwei richtig tolle Freundinnen gefunden. Erstaunlicherweise hat Fenja damals übrigens ein wunderschönes kräftiges und gesundes Fohlen geboren.
Leider ist Manni inzwischen gestorben, ohne seinen Traum vom Reiten auf einem eigenen unkomplizierten Islandpferd verwirklicht zu haben.
Vermutlich wäre Fenja auch nicht das geeignete Reitpferd für Manni geworden. Sie ist eine kleine „Töltmaschine“ und wird schon mal recht spritzig. Andererseits ist sie aber auch ein braves Therapiepferd.
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